Dreirad kontra Königin der Berge
Zunächst ein wenig zu meiner Person. Nach meiner Lehre zum Elektroanlagenelektroniker (kurz: Elektriker) beim Bw Hamm trat ich Ende der achziger Jahre in die Lokführerlaufbahn ein. Die Grundausbildung erfolgte auf den Baureihen 260/261, 211/212 (auch eine schöne Lok) und 110/140. Danach kamen noch die BR 290, 150/151, 143, 141, 111 und 232 (gehört auch zu meinen Lieblingsloks) dazu.
Zu Beginn meiner Karriere war ich überwiegend im Rangierdienst tätig, das war die Zeit, als es dem Hammer Rangierbahnhof noch besser ging. Später durfte man auch öfters auf die Strecke, natürlich mit Güterzügen, bis man fast ausschließlich im Streckendienst eingesetzt wurde. Zur Zeit bin ich bei der Regionalbahn Westfalen Münster, ZNL Hamm beschäftigt. Eigentlich schade, da ich gerne mit Dieselloks spiele (wir fahren hier nur elektrisch).
Doch zu meiner Vorliebe für die V 60. Vielleicht kommt es daher, dass es die erste Lok war, die ich selbst gefahren bin. So eine V 90 ist natürlich auch nicht schlecht, in Hamm hat sie auch den Spitznamen "Königin der (Ablauf-) Berge". In guten Zeiten waren in Hamm nachts 18 Rangierloks im Einsatz (13 V 90 im Rbf und 4 V 60 und eine Köf im Pbf). Das waren noch Zeiten. Jetzt ist der Rbf nur noch eine Blumenwiese mit spärlichem Rangierbetrieb. Traurig, traurig.
Im schweren Rangierdinst ist natürlich die V 90 von Vorteil. Sie läuft leise und ruhig auch über schlechte Gleise. Da fällt auch das merkwürdige WF 2 Bremsventil nicht weiter auf.
Aber es geht nichts über eine V 60. Rauh, laut, aber zuverlässig. Der Maybach Direkteinspritzer springt immer an, egal wie kalt er ist. Eine V 90 zum Kaltstart zu bewegen ist ein Glücksspiel. Bei der V 60 wird der Besen unter den Reglermagneten geklemmt und schon kann es losgehen. Auch gibt es keine andere Lok, auf der man so gut schlafen kann. Die Werkzeugkiste auf dem Führerstand ist ideal bei ruhigen Baudiensten.
Ein paar Worte zu den Bremsventilen. V 60 hatte immer Knorr Nr. 8 Ventile (auch die Funkloks), bei den V 90 meines Wissens nur die Prototypen (290 001-020) und die erste Serie (290 021-190). Hagen hatte einige davon, die auch zeitweise nach Hamm ausgeliehen worden sind. In Hamm waren (von 88 bis ca. 95) nur Lokomotiven der zweiten Serie und eine Lok der fünften Serie (290 374, die einzige, die fabrikneu nach Hamm geliefert worden ist) stationiert. Später kamen dann einige der 4. und 5. Bauserie dazu. Inzwischen habe ich den Überblick verloren, was sich im Rbf bewegt (Cargo-Land).
So ein Knorr Nr. 8 ist halt schon eine Sache für sich. Da ist schnell die Bremse überladen, wenn man nicht aufpasst. Das kann dir mit einem Selbstregler (z.B. Knorr D 2 oder Westinghouse WF 2) nicht passieren. Auch auf der Strecke (einige 140 und 141er haben noch Knorr Nr. 8) ist mir ein Selbsregler lieber. Die Reaktionszeiten sind bei diesen Ventilen (Bremsen und Lösen) kürzer, dabei ist das D 2 noch viel schneller als das WF 2. Das WF 2 hat schon die Ruhe weg beim Bremsen. So einem Lokrangierführer, der bis 25 km/h geeicht ist, stehen da schon mal die Haare zu Berge... Das Knorr Nr. 8 wird eben mal in die Schnellbremstellung gelegt und schon steht die Eisenbahn.
Beim Rangieren mit relativ kurzen Zuglängen ist aber ein K 8 nicht schlecht. Vor allem beim Rangieren mit Reisezugwagen ist der stufenlose Übergang aus der Brems- in die Schnellbremstellung wirklich praktisch.
Lästig bei der V 60 ist nur die Stangenlager-Nachschau. Ich sah danach immer aus, als ob ich mit der Ölkanne einen Ringkampf ausgeführt hätte. Unter dem Umlauf befindet sich ein Überlaufbehälter für Leckkraftstoff. Ürspünglich war dieser ziemlich klein und hatte einen Überlauf. Mit dem Aufkommen der Funkloks (das schrecklichste Fahrzeug der Welt, wenn man nicht im Funkbetrieb fahren kann) ist dieser Behälter erheblich vergrößert worden und der Überlauf entfiel aus Umweltschutzgründen. Die V 60, an der ich an diesem Abend die Stangenlager befüllte, hatte jedenfalls noch einen Überlauf. Und er tat seine Pflicht - er lief über. Ich saß genau darunter und wunderte mich über das merkwürdige Parfüm, daß mir den Rücken herunter lief, eklig...
R.G.
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